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Das Gebäudeenergiegesetz (GEG) im Bestandsgebäude. Welche energetische Sanierung sollte zuerst umgesetzt werden?

08.11.2023 | Geld sparen in Haus und Wohnung

Das Gebäudeenergiegesetz hat diejenigen, die eben keinen Neubau ihr Eigen nennen, sondern ein ganz normales Ein- oder Zweifamilienhaus, geradezu aufgeschreckt. Die schlimmsten Szenarien gehen durch die Presse. Es gebe eine Regelung, dass jeder nun über Kurz oder Lang alte Heizungsanlagen entfernen und eine Wärmepumpe einbauen müsse. Nachrüstpflichten und Dämmung würden so teuer, dass der Ruin naht. 
Man nutzt dabei die energetischen Anforderungen an Neubauten als Schreckgespenst, durch die Baukosten, insbesondere bei Ein- und Zweifamilienhäusern gestiegen sind.

Mit welchen intelligenten Maßnahmen kann man die Energieeffizienz seines Wohngebäudes Schritt für Schritt erhöhen, welche sollte man zuerst umsetzen und damit jetzt schon Geld sparen? 

Kritische Betrachtung des GEG in Bezug auf Bestandsgebäude

Das Gebäudeenergiegesetz wird von kritischen Betrachtern als restriktiv und stellenweise sogar als „Armutsverbreitungsgesetz“ beschrieben, da es die Wahlfreiheit der Heizsysteme einschränkt und vor allem Wärmepumpen fördert. Es besteht die Sorge, dass die Umsetzung des GEG zu hohen Kosten für die Verbraucher führt, ohne die angestrebten Umweltvorteile zu liefern, gerade auch weil alternative Systeme im Gesetz zu wenig Beachtung finden.
Allerdings ist zu erwähnen, dass auch früher schon bei neuen Heizungsanlagen das Heizen zu mindestens 65 Prozent mit erneuerbaren Energien gefordert wurde, um Förderungen zu erlangen, denn auch früher gab es schon eine Energieeinsparverordnung (EnEV).

Da die Sanierung eines Wohngebäudes sowieso regelmäßig anfällt, ist es ausgesprochen wichtig dies mit sinnvollen Maßnahmen hin zu mehr Energieeffizienz zu verbinden. 

In einem Fachgespräch hat Prof. Christian Rieck den gelernten Heizungsbauer und Wohnungsbauplaner Prof. Timo Leukefeld eingeladen, eine intelligente Umsetzung der neuen Anforderungen darzustellen und Wege aufzuzeigen, wie eine Immobilie und der eigene Geldbeutel kostengünstig fitgemacht werden könnten.

Gebaeudeenergiegesetz kritisch betrachtet

Hier die wesentlichen Überlegungen aus diesem Interview:

Realität vs. Theorie bei Wärmepumpen in einer Immobilie

  • Prof. Leukefeld führt aus, dass Wärmepumpen in der Praxis oft eine geringere Effizienz aufweisen als von Herstellern angegeben. Die Diskrepanz zwischen der theoretischen und tatsächlichen Jahresarbeitszahl ist oft groß, einfach weil nicht das Gesamtsystem Haus mit allen seinen Verlusten betrachtet wird, sondern nur das isolierte Heizungssystem mit einer Wärmepumpe im Vergleich zu einem üblichen Heizkessel.
    Die Heizgeräte werden in idealen Versuchsanordnungen beurteilt, ähnlich wie Fahrzeuge in idealen Fahrzyklen Verbrauchswerte erreichen, die in der Praxis nicht realistisch sind.

  • Handwerkermangel und Ausführungsfehler aufgrund fehlenden Wissens und Verständnisses für die relativ neue und komplexe Technik führen weiterhin dazu, dass Wärmepumpen ihre ökonomischen und ökologischen Versprechen nicht immer einhalten können. Oft sind sehr umfangreiche und damit teure Berechnungen notwendig, die zeit- und kostenbedingt nicht so ausfallen wie sie müssten. Es bleibt immer ein Unsicherheitsfaktor, ob die Wärmepumpenheizung ihre beste Leistung entfalten kann.

  • Die Langlebigkeit von Wärmepumpen gegenüber konventionellen Heizungsanlagen ist noch nicht ausreichend klar. Was man bisher sehen kann, ist dass Wärmepumpen möglicherweise nur eine Lebenserwartung von 20 Jahren haben und dass sie wartungsintensiver sind als Öl- und Gasheizungen. Aus unserer eigenen Erfahrung können wir sagen, dass wir oft teure Reparaturen an nicht wirklich alten Wärmepumpen sehen im Vergleich zu üblichen Heizsystemen.
    Das alles kann dazu führen, dass die Amortisationszeiten für Wärmepumpen ihre Lebensdauer überschreiten können, was sie zu einer unwirtschaftlichen Investition macht.

  • Es muss betont werden, die Wärmepumpe ist sicherlich keine per se schlechte Technik und definitiv eine Überlegung wert. In Zukunft ist unserer Meinung nach allerdings mit geringeren Kosten für die Geräte zu rechnen, wenn mehr Hersteller mit höheren Produktionszahlen in den Markt eintreten und der aktuelle Nachfragestau abgeflaut ist.
    Da das Thema zurzeit in aller Munde ist, verlangen Hersteller und Handwerker selbstverständlich die entsprechenden Preise. Ein paar Jahre zu warten, macht aus diesem Grund Sinn. Zumal die wenigsten Eigentümer gezwungen sind, die Anforderungen des GEG mit ihrem Gebäude sofort zu erfüllen. 
    Es gibt im Jahr 2023 oder ab 2024 keine Austauschpflicht funktionierender Heizungen. Die Regeln verlangen dies erst bei Heizungen, die älter als 30 Jahre sind. Das war auch schon früher so gesetzlich festgelegt.
    Dass keine Heizungen mit fossilen Brennstoffen mehr betrieben werden dürfen, sieht das GEG ab 2045 vor. 

Mindestens bis zu einer umfassenden Sanierung können Infrarotpanels im Bestandsgebäude und nicht nur im Neubau eine Alternative sein

Prof. Leukenfeld bringt in seinen Ausführungen die Infrarotheizung mindestens für den Übergang und als Ergänzung bestehender Heizsysteme in Bestandsgebäuden ins Spiel. Insbesondere sind die Anschaffungskosten und der CO2-Fußabdruck bei der Herstellung hier erheblich niedriger und ihr Einsatz verlangt keine Umbauten an eingebauten Heizungen selbst. Infrarotheizungen sind einfach zu installieren, benötigen weniger Wartung und können eine höhere Lebenserwartung als Wärmepumpen haben. Infrarotheizungen ermöglichen zudem eine wesentlich schnellere Anpassung an wechselnde Raumtemperaturen, was die Verluste reduziert. Sie bieten ein angenehmes Wärmeempfinden.
Bei gut gedämmten Neubauten und Gebäuden im Bestand werden Infrarotheizungen schon heute als vollwertiger Ersatz eingebaut.

Wie sie mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Betrachten Sie die energetischen Anforderungen und die gesamten Energiekosten eines Haushaltes. 

Eine energetische Sanierung eines Bestandsgebäudes wirkt sich direkt auf die Haushaltskasse aus. Baut man eine Photovoltaikanlage ein und betankt damit ein E-Auto, fallen in fast allen Monaten im Jahr die Treibstoffkosten weg. Betrachtet man daher die gesamten Energiekosten eines Haushalts, muss dieser Vorteil mit in die Sanierungskosten eines Hauses eingerechnet werden.

Am folgenden Beispiel sehen Sie, dass geschätzt die Hälfte des jährlichen Energie-Budgets wegfällt, nur durch den Einbau einer PV-Anlage in Verbindung mit einem Elektrofahrzeug und ohne weitere Maßnahmen am Haus wie Dämmung etc. Die Schätzung basiert auf dem Wissen, dass die Sonne natürlich nicht immer scheint und die Ausrichtung des Gebäudes auch hineinspielt.

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Beispielhaushalt mit 3 Personen und in einem Einfamilienhaus mit 140m2

Welche 7 Empfehlungen bezogen auf das Gebäudeenergiegesetz gibt es?

Für Bestandsbauten, insbesondere solche aus der Zeit von 1960 bis in die 1980er Jahre, empfehlen Experten wie Prof. Leukenfeld einen schrittweisen und bedachten Ansatz zur energetischen Sanierung:

  1. Investition in Photovoltaik (PV): Zunächst sollte, wenn das Dach dafür geeignet ist, eine Photovoltaikanlage installiert werden, um die Energiekosten insgesamt zu reduzieren und den Eigenverbrauch zu erhöhen. Diese Maßnahme ist vergleichsweise unkompliziert und bringt sofortige Energieersparnisse. Auch kann die Installation der Module an sich in Eigenleistung gemacht werden und die Elektroinstallation ist relativ einfach. Auch kann der tagsüber gewonnene Solarstrom für späteren Gebrauch zwischengespeichert werden.
  1. Nutzung von Solarenergie für Warmwasser und Haushaltsstrom: Durch die Installation eines Heizstabs im Warmwasserboiler bzw. -speicher kann der Solarstromüberschuss effizient für die Warmwasserbereitung genutzt werden, was die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen weiter reduziert. So kann die Heizung nicht mehr als unbedingt nötig im Jahr angeschaltet bleiben und der Einbau von wasserführenden Solar-Systemen zur Warmwasserbereitung ist aufgrund dessen überflüssig. Im besten Fall muss man 9-10 Monate gar nicht heizen. Als Bonus gibt es hier die Möglichkeit der Kühlung und Lüftung des Gebäudes im Sommer ohne zusätzliche Kosten dazu. Klimatisierte Gebäude werden immer beliebter werden und zukünftig einen besseren Mietertrag abwerfen.
Investition in eine PV Anlage im Bestandsgebaeude
  1. Anschaffung eines E-Autos bei eigener Photovoltaikanlage: Der Umstieg auf ein Elektroauto in Kombination mit der PV-Anlage kann erheblich dazu beitragen, die Mobilitätskosten zu senken, indem das Fahrzeug mit dem selbst erzeugten Strom betankt wird. Wird das Budget für Benzin und Diesel dem Gesamtbudget eines Haushaltes für Energie zugerechnet, wird offensichtlich, wie effizient Solarenergie auf den eigenen Geldbeutel wirkt. Das gilt sogar für die meiste Zeit des Jahres. Der Aufwand für Treibstoff ist meist höher als für die Heizung eines Hauses.
    Elektrofahrzeuge gibt es bereits für überschaubare Leasingraten. Bezüglich der Reichweite solcher Fahrzeuge gibt es heutzutage auch kaum noch Bedenken. Außerdem sinken die Wartungskosten und die KFZ-Steuer entfällt.
Elektroauto mit eigener PV Anlage ist optimal
  1. Zeitliche Planung für die Heizungserneuerung: Für die Erneuerung der Heizung sollte man sich Zeit nehmen und die Entwicklung der politischen Rahmenbedingungen sowie der Fördermöglichkeiten abwarten. Es wird geraten, mit dem größten und komplexesten Eingriff – der Umstellung des Heizsystems – zu warten, bis die Rahmenbedingungen klar sind. Das Gute ist ja gerade, dass die wenigsten Hauseigentümer laut GEG akut gezwungen sind eine neue Heizung einzubauen.
  1. Prüfen Sie die Maßnahmen Ihrer Gemeinde: Gemeinden und Städte müssen in den nächsten Jahren eine Energieplanung erstellen und können dann vielleicht Lösungen anbieten, die eine private Heizung überflüssig machen. Schon vor dieser Regelung des Gebäudeenergiegesetzes haben wir vor Ort gesehen, dass Gebäude zunehmend an bestehende Fernwärme angeschlossen werden oder Gebäude von Heizzentralen versorgt werden, die mehrere Abnehmer im Umkreis beliefern.
  1. Kombination verschiedener Heiztechnologien: Überlegt werden kann, ob eine Kombination aus bestehender Gas- oder Ölheizung (sofern diese noch funktionsfähig ist) und ergänzenden Infrarotmodulen eine sinnvolle Lösung darstellen könnte. Dies würde zum Beispiel ermöglichen, eine fossile Gasheizung nur für die Spitzenlast in den kältesten Monaten zu nutzen und ansonsten die effizienteren Infrarotmodule.
  1. Die Dämmung eines Bestandsgebäudes sollte nicht aufgeschoben werden und zuerst dort beginnen, wo die Kosten-, Nutzenanalyse am besten ist. Das heißt, man sollte dort anfangen, wo man selbst Hand anlegen kann und wo die Kosten und Investitionen überschaubar sind. So kann zum Beispiel das Dämmen der Kellerdecke oder Geschoßoberdecke günstig selbst gemacht werden und amortisiert sich in kurzer Zeit. Der Austausch von Fenstern und Türen sollte nicht aufgeschoben werden.
Fazit zum Gebaeudeenergiegesetz in Bestandsgebaeuden

Da jeder Bestandsbau individuelle Gegebenheiten aufweist, sollten Sanierung und Modernisierung auf Basis von Simulationen und detaillierten Analysen erfolgen, um die optimale Kombination aus Wirtschaftlichkeit, Komfort und Umweltverträglichkeit zu erreichen. Im Laufe der Zeit wird das Wissen der Handwerksbetriebe so zunehmen, dass man auch aus vergangenen Fehlern bereits Erfahrungen gewonnen hat.

Fazit zum Thema Gebäudeenergiegesetz bei Bestandsgebäuden

Insgesamt gesehen wirken sich die Regelungen für Bestandsgebäude im Gebäudeenergiegesetz nicht so dramatisch aus, wie es zurzeit dargestellt wird.

Eines ist aber zum heutigen Stand ganz sicher. Der Neueinbau von Öl- und Gasheizkesseln ist nicht mehr zu empfehlen. Die Nutzung von erneuerbaren Energien ist die intelligenteste Art seinen Geldbeutel zu schonen und sich energieautark zu machen. Der Energieverbrauch in Watt pro Quadratmeter Wohnfläche muss so oder so sinken.

Schon früher war die Nutzung von mindestens 65 Prozent erneuerbarer Energien beim Heizungstausch in Bestandsgebäuden vorgeschrieben, wenn man eine Förderung erhalten wollte. Zusätzlich muss ein Gebäude bestimmte Vorgaben sowieso schon erfüllen.

Man sollte höchstens die Laufzeit bestehender Anlagen ausnutzen, bis Klarheit bezüglich Förderungen und der Details der Vorgaben des GEG geschaffen ist. Bei Austausch- und Nachrüstpflichten sind die Vorschriften des GEG nicht so streng wie zunächst erwartet.

Aufgrund aktueller Engpässe und überhöhter Preise, sollte man mittelfristig mit der Sanierung seiner Heizung warten. Auch wird sich die Effizienz von Wärmepumpen wahrscheinlich noch verbessern und die Erfahrung der Fachkräfte im Handwerk wird steigen.

Die Umsetzungen der Regelungen des GEG für Bestandsgebäude führen auch einen besseren Energieausweis.
Damit bleiben sanierte Bestandsgebäude für Mieter interessant. Mieter sind dann sogar bereit, eine höhere Kaltmiete zu akzeptieren, da die Energiekosten entsprechend niedriger sind. 
Das erhöht die Mietrendite der Hauseigentümer und steigert den Verkaufswert des Gebäudes.

Das neue Gebäudeenergiegesetz regelt, dass Gemeinden in den kommenden Jahren Energie-Planungen vorlegen und die energetische Qualität vor Ort einschätzen müssen. Nichts ist ärgerlicher als eine neu eingebaute Heizung in einem bestehenden Gebäude in einem Gebiet, das dann an externe Energiequellen wie Fernwärme oder Biomasse angeschlossen werden kann.

Der Experte hebt hervor, dass die Beibehaltung der Technologieoffenheit wichtig ist und pauschale Lösungen oft nicht die besten Ergebnisse liefern. Stattdessen sollten individuelle und systemische Ansätze gewählt werden, die die Gesamtbilanz von Kosten, Nutzen und Umweltauswirkungen bei Bestandsgebäuden berücksichtigen.